ECN Energie: Grundversorgungstarife – meist teuer und wettbewerbsschädlich

23.02.2021

[BlickpunktEnergie 22.02.2020] Das derzeitige System der Grundversorgung in Deutschland schützt Letztverbraucher nicht, sondern vielmehr werden diese bevormundet. Es ist quasi so, als würde man den Menschen vorschreiben, bei wem sie ihre Pizza, Unterwäsche, Hemden oder Socken bestellen müssen.

Wenn Letztverbraucher beim Einzug in eine neue Wohnung das Licht einschalten, haben diese automatisch einen Vertrag mit dem örtlichen Grundversorger abgeschlossen und dieser liefert automatisch Strom und oder Gas. Diesen stillschweigend abgeschlossenen Liefervertrag können Letztverbraucher zwar jederzeit kündigen, tun Sie dieses aber nicht, sind und bleiben sie Kunde des jeweiligen Grundversorgers. Vergleichbar wäre folgendes Szenario: Sie ziehen an einen neuen Ort in eine neue Wohnung und der örtliche Pizzalieferant liefert automatisch täglich eine Thunfisch-Pizza und zwar solange bis Sie diese explizit abbestellen. Wie lange würde es dauern bis Sie diesen Lieferdienst kündigen?

­Man muss dazu wissen, dass der Grundversorger immer dasjenige örtliche Strom- oder Gasunternehmen ist, das in dem jeweiligen Netzgebiet die meisten Kunden versorgt. In der Regel also das örtliche Stadtwerk oder ein sogenannter Regionalversorger.

Das regelt so die Strom- und Grundversorgungsverordnung jeweils in den Paragrafen 2, Satz 2. Dieser "rechtlich automatisierte" Vertragsschluss mit dem Grundversorgungsunternehmen ist nach Meinung diverser Experten ein Fehler zulasten der Kunden und des freien Wettbewerbs.

Diese Konstruktion muss aber nicht sein, wenn denn jeder Kunde, der Strom oder Gas aus dem Netz entnimmt im Nachhinein entscheiden könnte, wer ihn beliefern soll. Diese Vorgehensweise wäre überhaupt nicht kompliziert, würde aber die Vormachtstellung der Grundversorger im Energiemarkt entscheidend aufweichen, der Wettbewerb würde gefördert und Letztverbraucher könnten von günstigeren Tarifen profitieren.

Grundversorger haben Rund 70 Prozent Marktanteil

Selbst nach 20 Jahren im liberalisierten Energiemarkt beliefern Grundversorger immer noch einen Löwenteil der Strom- und Gaskunden. Satte 27 Prozent des von Tarifkunden verbrauchten Stroms in Deutschland entfallen auf sogenannte Grundtarifen bezahlt, weitere 42 Prozent beziehen Strom über andere Tarife des jeweiligen Grundversorgers. So kommt es, dass der Marktanteil der Grundversorger im Schnitt bei rund 70 Prozent liegt. Auch Kartellrechtlich ist löst dieser Umstand bedenken aus. Kartellrechtlich werden Marktanteile von 40 Prozent und mehr als marktbeherrschend eingestuft. Das ganze geht zulasten der Verbraucher, die überhöhte Preise zahlen müssen, sowie zulasten des freien Wettbewerbs.

Entwicklung der Stromtarife für einen Beispiel-Jahresverbrauch von 3.000 Kilowattstunden in den Jahren seit 2007. (Grafik: Lichtblick, Quelle: Check 24)

Während sich die Tarife Alternativer Anbieter sich im Zeitraum von 2007 bis 2019 bundesweit um ca. 45 Prozent zulegten, erhöhten sich die Grundversorgertarife um satte 56 Prozent zu. Bei Gas ist die Preisschere noch wesentlich größer. Hier sanken die günstigen Tarifeder Alternativanbieter seit 2007 im Schnitt um zehn Prozent, während die Grundversorgungstarife um zehn Prozent stiegen.

Die Krux an der Geschichte ist, dass Grundversorger mit den teuren Grundversorgungstarifen überproportional hohe Gewinne erwirtschaften, die es ihnen wiederum erlaubt Wettbewerbstarife anzubieten, die sich unterhalb des durchschnittlichen Marktpreisniveaus befinden. Grundversorgungskunden, die sich also nicht für einen anderen Anbieter entscheiden haben, zahlen so am Ende für die Kunden mit, die sich für die Wettbewerbstarife des Grundversorgers entschieden haben.

Doch auch wenn sich die Kunden früher oder später für einen anderen Strom- oder Gasversorger entscheiden, bleibt der Wettbewerbsvorteil bestehen. Denn der Grundversorger erhält durch Umzüge und andere Veränderungen automatisch durchgehend immer neue Kunden, die in die teuren Grundversorgungstarife fallen.

Dieser Systembedingte Mechanismus sichert also die hohen Marktanteile der Grundversorger von 70 Prozent ab und Wettbewerber werden aus dem lokalen und regionalen Markt verdrängt.

Das System der "Grundversorgung" in Deutschland sorgt also, zumindest in der derzeitigen Ausgestaltung nicht für einen Schutz der Kunden, sondern sorgt in Wirklichkeit dafür, dass Kunden bevormundet werden. Es ist also so, als würde man dem Kunden vorschreiben, bei welchem Lieferanten er die Pizza, Unterwäsche, Hemd oder Socken bestellen müsste.

Grundversorgung, nur dann wenn es wirklich notwendig ist

Richtig wäre vielmehr ein Konzept, das System "Grundversorgung" lediglich auf jene Kunden zu beschränken, die tatsächlich keinen Strom- oder Gaslieferanten finden, zum Beispiel, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen können. Alle anderen Kunden sollten die Chance haben, sich ihren Strom- und Gaslieferanten im freien Wettbewerb selbst zu suchen und mit diesen einen Vertrag zu schließen und dieses sollte auch im Nachhinein geschehen können. Diese Praxis ist zum Beispiel in Österreich gang und gäbe. Kann oder möchte sich ein Kunde in Österreich keinen eigenen Versorger aussuchen, wird er einem der örtlich anbietenden Energieversorger zugelost. Diese Energieversorger können solche Verträge grundsätzlich ablehnen, und erst in einem solchen Fall kommt jeweilige Grundversorger als letzte Instanz ins Spiel. Der Vorteil: Bei einer solchen Lösung gäbe es kaum noch grundversorgte Kunden, der Wettbewerb würde belebt und die teuren Grundversorgungstarife würden zum Vorteil der Verbraucher verschwinden.

Vor dem Hintergrund ist es mehr als Überfällig, die Strom- und die Gasgrundversorgungsverordnung dahingehend so zu novellieren, dass Neukunden künftig nicht mehr automatisch dem Grundversorger zufallen. Außerdem sollten Grundversorgungstarife auch nur noch für die wenigen Kunden vorgesehen werden, die auf dem freien Markt, aus welchen Gründen auch immer, keinen Strom- oder Gaslieferanten finden können.